Franz Boas (* 9. Juli 1858 in Minden; † 21. Dezember 1942 in New York) war ein deutschstämmiger US-amerikanischer Ethnologe, Sprachwissenschaftler, Physiker und Geograph.
Franz Boas errang in seiner Zeit am American Museum of Natural History durch die Planung und Leitung der Jesup North Pacific Expedition (1897–1902) in der US-Ethnologie eine Spitzenstellung. Die Expedition konnte die asiatische Herkunft der nordamerikanischen Indianer nachweisen. Boas bemühte sich auch um die Sicherung des kulturellen Erbes der nordamerikanischen Indianer und der Eskimos.
Bekannt geworden ist Boas durch seinen Kulturrelativismus: Jede Kultur ist relativ und nur aus sich selbst heraus zu verstehen.
Position
Er entwickelte einen historischen Partikularismus: Jede Kultur habe ihre eigene Geschichte und Entwicklung. Man solle nicht versuchen, ein allgemeines Gesetz zu machen, wie sich Kulturen entwickeln. Damit widersprach er dem Evolutionismus von Lewis Henry Morgan. Boas und seine Schülerinnen und Schüler (wie Alfred Kroeber und Ruth Benedict) beeinflussten die nordamerikanische Anthropologie nachhaltig.
Bekannt geworden ist Boas für seine Erforschung von Wildbeutergesellschaften der Indianer an der Nord-Nordwestküste der USA. Er forschte bei den Kwakiutl. Als er diese studierte, fiel ihm die Unstimmigkeit von Morgans Theorie auf. Der Evolutionismus behauptet, Wildbeutergesellschaften (Jäger und Sammler) stellten immer die unterste Entwicklungsstufe dar mit einem harten Dasein ohne Luxus, wo nur der tägliche Kampf ums Überleben herrsche. Boas fand aber bei den Kwakiutl eine ganz andere Situation. Diese sind zwar Wildbeuter, aber trotzdem sesshaft. Sie hatten ein angenehmes Leben mit reichlich Nahrung durch den Lachsfang an der Küste. Sie besaßen reiche Töpferwaren und ein ausgeprägtes Kunsthandwerk und sogar Kriegsgefangene von Nachbarstämmen als Haussklaven. Und sie hatten so viel, dass sie es verschenken oder gar zerstören konnten – nämlich beim Potlatch. Seine Forschungen zu dieser Zeremonie des Gabentausches sind von Thorstein Veblen (Theorie des demonstrativen Konsums) und Marcel Mauss (Theorie des Geschenks) ausgiebig genutzt worden.
Boas und Nationalsozialismus
Schon vor der Machtergreifung sprach er sich entschieden gegen Rassismus aus. Zwei Monate danach, am 27. März 1933 protestierte er in einem offenen Brief an den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gegen den Antisemitismus der Nationalsozialisten:[4]
„Ich bin jüdischer Abstammung, aber im Fühlen und Denken bin ich Deutscher. Was verdanke ich meinem Elternhaus? Pflichtgefühl, Treue und den Drang, die Wahrheit ehrlich zu suchen. Wenn dies eines Deutschen unwürdig ist, wenn Unfläterei, Gemeinheit, Unduldsamkeit, Ungerechtigkeit, Lüge heutzutage als deutsch angesehen werden, wer mag dann noch ein Deutscher sein?“
Auch Boas‘ Werke fielen der Bücherverbrennung 1933 in Deutschland zum Opfer. Dies und die Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre sowie die Verfolgung politisch andersdenkender Wissenschaftler bestärkten ihn in seiner Ablehnung des Nationalsozialismus und seiner Rassenideologie. Boas erhielt viele Bittschreiben und Hilferufe verfolgter deutscher Wissenschaftler, Juden wie Nicht-Juden. In einigen Fällen konnte er sich mit Erfolg für ihre Immigration in die USA einsetzen.
Tod
Bei einem Bankett zu Ehren des vor den Nationalsozialisten aus Frankreich geflohenen Ethnologen Paul Rivet erlitt Boas am 21. Dezember 1942 einen Schlaganfall und starb. Claude Lévi-Strauss, der neben ihm gesessen hatte, fasste seinen Tod tief beeindruckt zusammen: Er habe nicht nur den Altmeister seiner Disziplin dahingehen sehen, „sondern den letzten unter den Geistesriesen, die das 19. Jahrhundert hat hervorbringen können und wie wir sie wahrscheinlich niemals wieder sehen werden“.
Werke
Werke auf
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