Mehr Offenheit gegenüber Gemeinfreiheit

Rund um den PublicDomainDay gibt es immer wieder Diskussionen zur Gemeinfreiheit, insbesondere der Interpretation der Grenzen des Urheberrechts. 2015 bekamen zwei Fälle mediale Aufmerksamkeit. Die Anne Frank Stiftung fürchtet um ihre zentrale Einnahmequelle und den Verlust der Kontrolle über das Werk. Die Stiftung erklärt deshalb den Vater zum Mitautor der Tagebücher von Anne Frank. Adolf Hitlers Werke wurden bisher mittels Urheberrecht vor der Verbreitung geschützt. Eine kritische Edition soll helfen das gemeinfreie Werk zu reflektieren. Beide Vorgehensweisen zeigt sehr unterschiedliche Wege auf, wie man mit der von einigen als Bedrohung empfunden Gemeinfreiheit umgehen kann. Sie sind auch nicht untypisch für meine Erfahrungen und Diskussionen mit Rechteinhabern,  lebenden UrheberInnen, Achiven und VerfechterInnen von offenem Zugang. Für 2016 würde es mich freuen, wenn ich beim Austausch zum Thema eine offenere Haltung gegenüber den Chancen der Gemeinfreiheit der Werke antreffen würde. Über folgende drei Veränderungen würde ich mich sehr freuen:

Von ja aber, zu warum noch geschützt?

Kaum schreibt man, dass ein Werk gemeinfrei ist, meldet sich mindestens eine Person und ist der Meinung, dass es nicht sicher ist. Das Phänomen beschränkt sich nicht nur auf Rechteinhaber, sondern auch Verfechter von Gemeinfreiheit. Beispiele sind die Digitalisierung von Werken oder Ton/Video-Aufnahmen. Themen die eigentlich in der FAQ des Institut für geistiges Eigentum klar gestellt werden.  Angst und Unsicherheit sind aber nicht förderlich für die Gemeinfreiheit. Ein vorauseilender Gehorsam ist anzutreffen. Es könnte sein, dass Urheberrechte ausgedehnt werden oder es in einem anderen Land noch geschützt ist. Kein positiver Gerichtbeschluss wird  zum Nachteil der Gemeinfreiheit ausgelegt. Man kann ja nie sicher sein. Viele Interessierte werden dadurch verunsichert und verzichten dann eher auf eine Nutzung. Wir könnten genau umgekehrt und kritischer ans Thema gehen. D.h. statt gleich „ja aber“ zu sagen, nachzufragen, warum denn etwas noch geschützt ist. Vielerorts trifft man nämlich nur auf schwach begründete Behauptungen oder sogar „Copyfraud“. Wir sollten uns verstärkt vergegenwärtigen, dass Gemeinfreiheit die Regel ist und Urheberrechte die Ausnahme. Längerfristig gesehen ist nämlich alles gemeinfrei und nur für eine begrenzte Zeitspanne urheberrechtlich geschützt.

Vom Zugang für Experten zum Zugang für alle
Tausende gemeinfreie Werke schlummern in unseren Museen, Bibliotheken, Archiven oder in privaten Dachkammern. Der Zugang hat sich in den letzten Jahren teilweise verbessert, beispielsweise indem Archive und Bibliotheken Werke in der Wikipedia veröffentlicht haben. Sehr häufig treffe ich aber noch auf relativ komplexe Abläufe. Während ich mich mit Geduld, Ausdauer und privater Unterstützung durch die Bestellprozesse und Formulare durchangle, kann ich durchaus nachvollziehen wenn andere aufgeben oder scheitern. Auch hohe Preisschilder für bereits mit öffentlichem Geld digitaliserte Werke schrecken ab. Suchmaschinen, Wikipedia, Smartphones und Apps haben uns gezeigt, dass es möglich ist Informationen einfacher und zugänglicher für alle zu machen. Das bedeutet aber auch, dass die Werke dort zugänglich sind, wo die Nutzenden sind. Statt zu diskutieren, ob die Öffentlichkeit überhaupt Zugang zu gemeinfreien Werken benötigt oder es nur die Experten sein sollten, möchte ich lieber diskutieren wie und wo wir die bereits digitalisieren Werke am besten zugänglich machen für alle Personen und Generationen.

Vom abdrucken oder abspielen, zum remixen

Werke die gemeinfrei sind, dürfen auch verändert werden. Der Fall ist eigentlich klar. Er ist aber noch nicht in den Formularen und Prozessen der Verwaltenden der gemeinfreien Werke abgebildet. Rückfragen beziehen sich eher darauf, ob man Werke im einem Buch oder auf dem Internet veröffentlicht. Damit einher geht die Frage nach der Auflösung des Digitalisats. In Zeiten von hochaufgelösten Displays, den immer schneller werdenden Internetverbindungen und steigenden Speicherkapazitäten eigentlich eine unsinnige Frage. Wir benötigen die höchste Auflösung und können damit umgehen. Auch wollen wir die gemeinfreien Werke nutzen, uns aneignen und remixen. Dafür bei öffentlichen Institutionen im Besitz eines Digitalisats um Erlaubnis bitten zu müssen ist fragwürdig, da sogar die Rechteinhaber nicht mehr ein Recht haben die Nutzung zu regulieren. Viel schöner wäre es, mit den Archiven, Museen und Bibliotheken gemeinsam zu explorieren, wie die Chancen der Gemeinfreiheit und Digitalisierung genutzt werden könnten.

Generell war das Jahr 2015 gar nicht so schlecht für das Thema Public Domain in der Schweiz. Viele Diskussionen mitin der Schweiz gehen in eine gute Richtung, andere leider noch nicht (Beispiele im Blog oder Public Domain Buch). Im Frühjahr wurde die Debatte an einer vom Migros Kulturprozent, Präsidialdepartment Basel-Stadt und HEK organisierten  Arbeitstagung zum Thema Public Domain durchgeführt. Am Open Cultural Hackathon in der Nationalbibliothek konnten gemeinfreie Werke kreativ angeignet werden. Arbido, die Zeitschrift für Archivare und Bibliothekare, widmete eine Ausgabe dem Thema. Und  der Christoph Merian Verlag hat erfolgreich ein Buch zu Public Domain veröffentlicht. Die Debatte hat also durchaus an Schwung gewonnen und die betroffenen Kreise sind sensibilisiert. Im 2016 wird die Urheberrechtsdebatte intensiver geführt, da eine Urheberrechtsrevision in der Schweiz ansteht. Das Thema Gemeinfreiheit ist zwar nicht auf der offiziellen Agenda. Es sollte jedoch Teil der Debatte sein.  Die Digitalisierung der gemeinfreien Werke in öffentlichen Archiven, Bibliotheken und Museen schreitet voran und damit auch die Frage nach deren Zugänglichkeit für uns alle. Landen die Werke hinter künstlichen und geschützten Lösungen oder finden wir sie in offenen und einfach zugänglichen Orten?  Die Digitale Transformation der Gesellschaft und die Art wie wir mit Informationen und Werken umgehen wird gerade neu ausgehandelt. Den Prozess gilt es, aktiv mitzugestalten und sich zu überlegen, wie wir es schaffen dass gemeinfreie Werke dank der digitalen Transformation aktiver genutzt werden.

Abschliessend würde es mich freuen, wenn wir im 2016 nicht nur über Gemeinfreiheit & Urheberrecht diskutieren, sondern vermehrt gemeinfreien Werke veröffentlichen, wiederentdecken und uns aneignen.

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