Ein literarisches Manifest

Es soll der Presse und dem Publikum durch unser Auftreten gezeigt werden, daß es Persönlichkeiten gibt, die die Sache der „jüngsten“ Literatur auch im Kriege weiterführen. Diese jüngste Literatur hat eine ganz bewußte Tendenz. Diese Tendenz: Expressionismus, Buntheit, Abenteuerlichkeit, Futurismus, Aktivität, Dummheit (gegen die Intellektualität, gegen die Bebuquins, gegen die gänzlich Arroganten). Wir wollen: Aufreizen, umwerfen, bluffen, triezen, zu Tode kitzeln, wirr, ohne Zusammenhang, Draufgänger und Negationisten sein. Unsere Sache ist die sache der Intensität, der Nüstern, der Askese, des methodischen Fanatismus, der Flaggen und Konspirationen. Wir werden immer „gegen“ sein. Wir werden die geistige Führerschaft an uns nehmen. Wir werden zu Felde ziehen gegen die Gehirnwesen, Geistlinge, Systemlinge. Gegen die Aktionierer und lyrische Tenöre. Gegen die „Programmatiker“ und Sektenbildner. Wir ergreifen die Partei der Bilderstürmer und jeglicher Radikalisten. Wir propagieren den Stoffwechsel, den Saltomortale, den Vampyrismus und alle Art Mimik. Wir sind nicht naiv genug, an den Fortschritt zu glauben. Wir haben es nur mit dem „Heute“ zu tun. Wir wollen sein: Mystiker des Details, Bohrlinge und Hellseher, Antikonzeptionisten und Literaturstänker. Wir wollen den Appetit verderben an aller Schönheit, Kultur, Poesie, an allem Geist, Geschmack, Sozialismus, Altruismus und Synonymismus. Wir gehen los gegen alle „ismen“ Parteien und „Anschauungen“. Negationisten wollen wir sein.

(Dieses Programm ist gegen Einsendung von 30 Pfg. bei Hugo Ball und Richard Huelsenbeck, Uhlandstraße 31, zu beziehen.)

Download | Hugo Ball und Richard Huelsenbeck | Berlin 12 February 1915 | Published by Gerhard Schaub, ‚Dada avant la lettre. Ein unbekanntes „Literarisches Manifest“ von Hugo Ball und Richard Huelsenbeck‘, in Hugo Ball Almanach (Pirmasens 1985/86) Band 9/10, 63-180.

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