
Am 24.März versuchen wir eine Standortbestimmung in Zürich. Eine kleine Gruppe von Künstlern und Theoretikerinnen begibt sich auf die Suche nach Dada in Zürich. Wir schreiben das Jahr 2016. Mindestens 4 Ausstellungen beschäftigen sich mit dem Thema Dada. Die Kunstrichtung wurde hier vor 100 Jahren gegründet. Neben historischem Bewusstsein für die Werke des Dadaismus wollen wir vor allem eines: den Abstand zwischen Betrachter und Werk definieren. Zu diesem Zweck sind wir bewaffnet mit einem digitalen Abstandsmesser, einem Massband und einer Pistole. Wenn auf den ersten Blick auch vieles Verboten erscheint in den musealen Hallen, Waffen sind es nicht (auf Nachfrage dürfte man wohl auch echte Waffen mitbringen). Sicherheit ist alles!
Vor dem Landesmuseum treffen wir Juri Steiner, den Kurator der Ausstellung.
. Der Abstand wird festgehalten und fällt mit 26,29 cm relativ gering aus. Wir bedankten uns schon im Voraus mit einer Rückenlehne.
Das Fotografierverbot gilt auch für uns, wir wollen ausserdem nur die Distanz festhalten.
Die richtige Distanz (43,27cm) durch eine deutsche Besucherin eingenommen.
Und obwohl keine Fotos von den Kunstwerken erstellt werden dürfen, werden die Besucher selbst während ihres Besuchs überwacht (ob sie sich ordnungsgemäss verhalten?)
Eine (zugegebenermassen bewusst schlechte) Abbildung eines Kunstwerks haben wir dann doch gemacht.
Als Höhepunkt segnen wir den Ort mit geweihtem Wasser.
Unterwegs treffen wir den Dadafotografen Henry M. Walser beim Fotografieren einer dadaistischen Schaufensters im Shopville Zürich.
Geopolitisch gesehen stellen wir fest:
Im Haus konstruktiv werden wir herzlich empfangen. Eigens für uns war ein Team der Securitas bestellt worden:
Nachdem unsere Anfrage im Vorfeld schon mit Argwohn begutachtet wurde:
Guten Tag
Ich habe Ihr Anliegen nochmals mit der Museumsdirektion besprochen – und muss Ihnen leider absagen.
Wir haben strikte Vorgaben von unseren Leihgebern.
Gutes Gelingen beim Projekt und beste Grüsse Flurina Ribi
Aber wie sollte unser Projekt gelingen, wenn wir nicht den Abstand zu den Kunstwerken feststellen dürfen? Hat die Museumsdirektion unser Anliegen überhaupt verstanden?
Danke für Ihre Anfrage, die für mich noch sehr kryptisch klingt … Bei den Exponaten der DADA-Pionierinnen gelten strenge Auflagen.
Mehr verraten wir auch nicht. Wir versprechen auch die Werke all jener, die noch nicht unter Public Domain sind, zu ignorieren.
Die Vermessung findet natürlich auch ohne das Einverständnis der Eigentümerinnen statt. Natürlich werden nur Werke vermessen, deren Autorinnen über 70 Jahre lang tot sind, alle anderen Werke werden ignoriert soweit möglich.
Wie sollte man Werke in einer Ausstellung ignorieren? Diese Ausgangssituation fällt uns schwer. Auf das Fotografierverbot wird am Eingang eingegangen:
Das Fotografierverbot gilt auch für die Biografien.
Wie die Ausstellungsteilnehmerinnen vor über 70 Jahren gestorben sind.
Bereits nach dem dritten Bild der dritten Biografie werde ich zum dritten Mal ermahnt, Moment eines noch:
Unglaublich wie streng hier die armen Mitarbeiterinnen instruiert werden. Wir benötigen die Fotos doch für unseren Blog, sonst können wir ja nicht darüber berichten. Fotoblogs sind einfach schöner. Hätten wir uns als Presse akkreditieren sollen? Cho Linska hat ihre Linsen mitgebracht, für bessere Sicht auf die Details.
Ja, wir wollen neue Perspektiven schaffen. Allerdings ist das schwierig bei den Rahmenbedingungen des Museums. Die dadaistischen Werke sind noch dazu allgemein erstaunlich klein. Klar, die mussten die Dinge ja auch verschicken und austauschen. Die zahlreichen Hinweise den Abstand einzuhalten sind dabei nicht unbedingt dienlich.
Sorry, das hätte ich nicht machen sollen, war jetzt sicher viel zu nahe:
Schliesslich sind wir im Kunsthaus Zürich angelangt. Unsere Anfrage wurde vom Kunsthaus gleich gar nicht beantwortet, also benutzten wir den sekreten Hintereingang. Auf dem Weg in die Dada Ausstellung haben wir dann noch mehrere leere Räume vermessen, in die man nicht hineingehen durfte. Wie das gehen soll? Egal, hier der Abstand zwischen einer Museumsbesucherin und einem A0 Plakat:
Trotz Fotografierverbots haben wir dieses hochwertige Bild angestellt (auch die Titelseite der dadaglobe Buchpublikation):
Eine Ausstellung (Museum Rietberg) fehlt uns noch (wir berichten nach dem Besuch):
.
Fazit:
1. Das Museum als öffentlicher Raum ist absolut humorfrei.
2. Die Leigeberinnen sind zu verurteilen, weil sie ihre Werke mit Auflagen versehen, die lediglich das Betrachten unter einer Glasglocke erlauben.
3. Public Domain Werke müssen frei zugänglich, abbildbar und kommerziell verwertbar sein durch Dritte.
4. Die Idee der Kunstvermittlung muss über kurz -od. lang scheitern. Niemanden interessiert die Perspektive des Kurators, ausser wenigen „Eingeweihten“.
5. Der durchschnittliche Abstand zu den Kunstwerken des Dadaismus liegt zwischen 0,01 und 35 Zentimetern. Die Werke sind vor allem für Kurzsichtige ausserordentlich gut geeignet. Lassen sie ihre Brille zu Hause. Ein Dadawerk lebt vom Atem der Besucherinnen. Wenn sich die heisse Luft ihres Atems auf den vielen Glasglocken und Vitrinen beschlägt, dann haben sie den richtigen Abstand gewählt.
bei 4. hat es bei mir schon 1984 gescheitert.. kurator ist schon fast derogativ. muss das sein? gratulation re:publik zu eurer recherche