«Wir zelebrieren eine Kultur des Remix»

Im Migros Kulturprozent Magazin ist ein Interview mit Mario Purkathofer erschienen. Das Interview beschreibt unser Projekt, unsere Motivation und unsere Erfahrung bei der Exploration des Public Domains.

Woher rühren Ihre Faszination und Ihr Engagement für Public Domain?
Historische Werke zu entdecken, remixen, publizieren und in Verbindung zur Gegenwart zu bringen, ist eine spannende Herausforderung. Wer kennt schon Yamauchi Fusajirō, der 1940 gestorben ist? Die Firma, die er gegründet hat, sagt einem schon mehr: Nintendo, der grosse Hersteller von Computerspielen. Zu jener Zeit verkaufte Nintendo noch Spielkarten, sogenannte Hanafuda. Wer weiss, dass Walter Benjamin (gest. 1940) den «Angelus Novus» von Paul Klee (gest. 1940) gekauft hat? Walter Benjamin nutzte das Bild zu vielschichtigen Reflexionen. Oder die Mystiker jener Zeit, etwa Elisàr von Kupffer (gest. 1942): Er gilt als Erfinder der Tarotkarten und verfasste reaktionäre homoerotische Texte. Christa Winsloes (gest. 1944) schrieb die Vorlage zum Film «Mädchen in Uniform» (Uraufführung 1931), in dem es zu einer der legendärsten Kussszenen der Filmgeschichte zwischen zwei Frauen kommt. So schreiben wir eine interdisziplinäre Kulturgeschichte von Film, Malerei, Literatur, Fotografie und Skulptur. Ob die Werke tatsächlich frei sind, ist für mich sekundär.

Sie zeigen die Werke ja nicht einfach, sondern interpretieren sie.
Wir möchten neue Lesarten ausprobieren. Es geht um die Frage, wie Texte, Bilder und Noten mit zeitgenössischen Medien neu aufgeführt oder gelesen werden können. Klassische Interpretationen interessieren uns dabei nur beschränkt. Die Ausführung eines Programms prozessiert die Daten, wir sprechen daher von Prozessierung und Ausführung (execution).

Sie zerlegen die Werke auch. Das dürfte nicht immer auf Gegenliebe stossen.
Der Schweizer Maler Fritz Baumann (gest. 1942) tat alles, um seine Werke vor der Nachwelt zu schützen. Baumann kippte vor seinem Suizid einen beachtlichen Teil seines Gesamtwerks in den Rhein. Man könnte sagen, das sei die beste Variante, um sich vor illegalen Kopien oder Weiterbearbeitungen zu schützen. Wer aber glaubt, dass sein Werk irgendwann vielleicht wichtig oder rentabel wird, sollte schon zu Lebzeiten überlegen, was mit dem Werk nach seinem Tod passieren soll. Wenn man nicht gerade einen Sammler zur Hand hat, stellt man sein Werk besser unter eine freie Lizenz und bringt es so unter die Leute. Zu diesem Zweck haben wir eine Public-Domain-Spenderkarte entwickelt, die man wie einen Organspenderausweis bei sich trägt. So wissen die Nachfahren, wie mit verbliebenen Werken umzugehen ist. Natürlich thematisiert das auch etwas satirisch die aktuelle Hysterie rund um das geistige Eigentum.

Zum ganzen Interview im Magazin.